Verehrter Herr!

Vielen Dank für Ihren freundliche Brief vom 10. Septbr. und für die Nummer der “Nature”, die ich grade bekommen habe.² Von den hybriden Samen von Lagerstroemia, von denen ich Ihnen neulich mittheilte, haben nur sieben gekeimt, und diese stammten alle von Blüten, welche mit grünem Pollen befruchtet waren. Von den aus gelbem Pollen hervorgegangenen schienen zwar einige gut zu sein, aber noch keiner hat bis heut gekeimt (sie waren gesäet am 11. Juni).³

Zu Anfang dieses Monats fanden hier mehrere sehr schwere Regenfälle statt, welche mir gute Gelegenheit boten, die Wirkungen solcher Regengüsse auf Pflanzen zu beobachten. Wo immer der Boden nicht dicht von Pflanzen bedeckt ist, prallen die Regentropfen von der Erde zurück in die Höhe, reissen kleine Erdtheilchen mit sich, und diese bleiben nun an den Stengeln und Blättern niedriger Pflanzen hängen und hüllen sie vollständig in eine Kruste ein, manchmal bis zu mehr als 25 cm Höhe. Manche kleinen Pflanzen werden niedergezogen und durch die Last der ihre Blätter bedeckenden Erde an den Boden festgeheftet; und manche gehen zu Grunde, besonders wenn heisse sonnige Tage auf den Regen folgen; und ich denke, dass alle Blätter, welche so dick von der Kruste eingehüllt sind, stark in ihren normalen Lebensäusserungen beeinträchtigt werden müssen. Nun ist es sehr merkwürdig zu sehen, dass zwischen jenen Pflanzen, welche über und über mit Schmutz bedeckt sind, die Blätter von Oxalis, Phyllanthus u. s. w. ganz trocken and rein erscheinen nach dem heftigsten Regen.—⁴ Natürlich ist die untere Seite der Blätter viel mehr der Gefahr ausgesetzt, in der beschriebenen Weise beschmutzt zu werden, als die obere, und es mag deshalb für niedrige Pflanzen besonders wichtig sein, dass ihre Unterseite durch eine Wachsabsonderung geschützt ist. Ich sende Ihnen trockene Blätter von drei Pflanzen, welche beim Untertauchen nur an der oberen Seite benetzt werden, während die untere durch einen Reif geschützt ist. Ich hoffe, Sie werden das an den trocknen Blättern sehen können. Es sind 1) eine Art Passiflora, welche freilich bisweilen hoch in Hecken hinauf klettert, für gewöhnlich aber es vorzieht zwischen niedrigen Kräutern an Wegrainen zu kriechen. Bei manchen anderen Passifloren, welche ich untersuchte, waren beide Seiten der Blätter geschützt; 2) eine niedrige Art von Alstroemeria, die selten über 20 cm hoch wird. Beide Seiten sind geschützt bei manchen andern Arten dieser Gattung; 3) eine Marantacee; bei manchen andern Arten jener Familie waren die Blätter beiderseits ungeschützt.⁵

Unter den neuen Pflanzen, die hier nach unserer letzten Ueberschwemmung erschienen sind, und die von den oberen Theilen des Itajahy-Flusses heruntergekommen sind (Arten von Cleome, Cuphea, Jussieua u. s. w.), befindet sich auch eine kleine Art von Anagallis, die ich vorher nie gesehen habe.⁶ Nun soll nach Endlicher’s gen. plant. keine Anagallis in Amerika einheimisch sein; und doch würde es ziemlich auffällig sein, wenn eine Art aus der alten Welt grade jetzt auf unserem überschwemmten Land erschiene. Die europäischen rothen und blauen Pimpinellen sind bei Desterro sehr häufig, wo sie ohne Zweifel, wie so viele andere europäische Unkräuter, aus Europa eingeschleppt worden sind. In Deutschland hatten alle Anagallis-Pflanzen, die ich gesehen habe, rothe oder blaue Blüten; aber bei Desterro habe ich wiederholt solche mit violetten Blumen angetroffen, welche offenbar aus der Kreuzung der rothen und blauen hervorgegangen sind....⁷