Hochgeehrtester Herr!

Sie hatten vor etwa 2 Jahren die Freundlichkeit, mir 100£ zu übersenden, wodurch es mir möglich wurde, meine Studien über die Stammesgeschichte der Ammoniten, namentlich auch durch den Besuch grösserer Sammlungen, fortzusetzen.² Das hiebei entstandene Buch habe ich Ihnen seiner Zeit zugesandt;³ eine specielle Monographie der Armaten ist bis jetzt noch nicht fertig geworden.⁴ Ich hoffte durch das Erscheinen meines Buches würde mir der Weg zu einer entsprechenden Stellung gebahnt; bis jetzt gieng dieser Wunsch aber leider nicht in Erfüllung und ich musste mich im letzten Jahre durch das Schreiben populär-naturwissenschaftlicher Artikel durchschlagen, so gut es eben gieng.⁵ Ich bin jetzt zu der Ueberzeugung gekommen, dass es mir überhaupt wohl nie gelingen werde, eine meinen wissenschaftlichen Neigungen entsprechende Stellung zu erringen, denn es fehlt mir dazu eben noch mancherlei, so dass mir andere immer vorgezogen werden; besonders ist mir hiebei eine gewisse Unbeholfenheit und Schüchternheit im persönlichem Verkehr sehr hinderlich gewesen. Ich habe mich somit entschlossen, mich wieder der Technik zuzuwenden und ist mir bereits in einer Anilinfarben-Fabrik eine gute Stelle in Aussicht gestellt, jedoch mit der Bedingung, dass ich vorher etwa $\frac{3}{4}$ Jahr auf eigene Kosten volontire. Dazu fehlen mir aber leider die Mittel. Da ich in letzter Zeit leidend war und somit nur wenig oder nichts verdienen konnte, so stehe ich jetzt überhaupt ganz ohne Existenzmittel da.

Hochgeehrtester Herr! Ich erlaube mir desshalb die ergebenste Anfrage, ob Sie vielleicht die Freundlichkeit haben wollten, mir etwa 70–80£ zu leihen, damit ich in den Stand gesetzt würde, mein Vorhaben auszuführen. Mit den ersten Ersparnissen würde ich dann diese Schuld wieder abtragen. Ich wäre Ihnen zu ausserordentlichem Danke verpflichtet, wenn Sie meinen Wunsch gütigst berücksichtigen wollten.

Mit der ergebensten Bitte, mein Ansuchen nicht übel nehmen zu wollen, verbleibe ich | mit vorzüglicher Hochachtung | Ihr ergebenster | L. Würtenberger